Spurensuche 1 – 1150 Wien – Haleakala !

68 Tage ist es her, seitdem Du gegangen bist.
Meine liebe 68 Revoluzzerin. Dein Geburtsjahr.

An diesem Donnerstagmorgen in Wien, gehe ich los. Schritte, um meiner Unruhe etwas entgegen zu setzen. Ich gehe los, gehe in deine Richtung. Wie ich so oft dich in deiner Wohnung besuchen ging, als Du noch in Wien wohntest, als Du noch da warst. Als Du noch in meinem Leben warst. Wir unsere Leben miteinander teilten.

Gestern Nachmittag, bekam ich einen Anruf, ich stand gerade vor dem Basketball-Käfig, in dem die Kinder aus der Nachbarschaft Fußball spielten. Kreischen und Quieken in hohen Stimmlagen. „Wie geht es eigentlich deiner Freundin in Frankreich?“ , sagte meine Bekannte. Es fühlte sich schon sehr lange her an, als ich mich sagen hörte, „oh, sie ist vor Weihnachten gestorben.“ Ich sagte es ganz ruhig, ohne Emotion, mein Gegenüber, ein Frau, die dieses Jahr 80 Jahre alt wird, sagte, voller Mitgefühl, aber auch sehr ruhig, es tue ihr sehr leid. Und dass es für sie besser war, eine Erleichterung.“ Ich sehe das Spitalszimmer vor mir, den ewigen Nieselregen in Rennes, die Möwen, die die Stadt mit ihren Schreien durchziehen. Ja, eh. Was soll man dazu sagen.
Wir redeten über den Tod, der auf uns alle in unserem Leben zu kommt. Sie erzählte von einer Freundin, mit der sie mehrmals die Woche joggen geht, um fit zu bleiben, und die auch starb. Und wie nah der Tod dann an einen rückt. Ich sage, dass einzig Gute war, dass wir uns seit ihrer Krankheit so oft gesehen haben, wie die letzten zehn Jahre vorher nicht. Wir reden über den Wert von Freundschaft, die guten Freunde im Leben, die man längere Zeit nicht sieht, und wenn man sie sieht, ist es als wäre keine Zeit vergangen.
Ja, so war es mit Dir.

Am Mittwoch Nachmittag war ich ruhig und abgeklärt.

Über Nacht braute sich in mir was zusammen, ein Konvolut an Emotionen. Unruhe, Unverständnis, Ratlosigkeit, Wut, Trauer, Schuldgefühl.

Der Donnerstag Morgen also, ich gehe in den 15.Bezirk von Wien und statte deiner früheren Wohnung in der Karmeliterhofgasse einen Besuch ab.

Ich stehe mehrere Minuten vor deinem Haus. Du würdest dich wundern. Du hast in den über 10 Jahren nach deinem Umzug nach Frankreich, nie mehr in dieser Gegend vorbei geschaut. „Warum auch? Geh, Sophie, das ist vorbei. Ist nicht mehr wichtig!“
Du warst kein sentimentaler Typ. Anders als ich.

Du warst pragmatisch und analytisch. Du konntest wunderbar denken. Die Dinge behirnen, bis du es ganz durchschaut hattest. Wunderbar uns durch deine Fragen auch in eine Klarheit führen. Ich vermisse diese Einsichten so sehr. Unsere Gespräche.

Du bekamst diese Wohnung von einem Onkel vererbt. Er war Pfarrer in Wien. Und er kaufte diese Wohnung ursprünglich für eine Freundin. Ihr war sie zu klein. Und dann bekamst du sie. Du pflegtest diese Wohnung. Sie war eine Perle in diesem großen, etwas heruntergekommenen Haus. Hier gibt es noch Klos am Gang, und das Stiegenhaus roch meistens feucht und schmutzig und nach kaltem Rauch. Und manchmal konnte man deuten, wenn dein Nachbar am Klo gewesen war. Der Nachbar, den ich nie gesehen habe, nur gehört. Seinen Fernseher, wenn er telefonierte und sein Husten. Er war ein starker Raucher.

Betrat man deine Wohnung, fühlte es sich sofort warm und geborgen an. Auf deinem großen orangenen Teppich war immer etwas vorbereitet. Bratkartoffel und Oliven. Datteln vielleicht. Der Klang starker Frauenstimmen erfüllte den Raum. Du warst eine Musikliebhaberin und -Kennerin, du bist viel gereist und du verehrtest starke Frauen.
Am Nachmittag lenkte ich mich ab und ging in eine Buchhandlung. Plötzlich war da eine warme Stimme. Rhythmisch, tief, mich umarmend.
Lhasa de Sela „De cara a la pared“ – Mit dem Gesicht zur Wand. Es war wie ein Gruß von Dir. Es fängt an mit:

Llorando
De cara a la pared
Se apaga la ciudad
Llorando
Y no hay màs
Muero quizas
Adonde estàs?

Weinend
Mit dem Gesicht zur Wand
erlischt die Stadt
Weinend
und es gibt nichts mehr
ich sterbe vielleicht
wo bist du?

Wir hatten dieses Lied gemeinsam gehört. Du warst eine andächtige Hörerin.

La LLorona, die Weinende. Ist eine mythische Figur in Mexico. Sie soll als weiße Frau an Flüssen Menschen erscheinen, und deren Tod ankünden. Der Erzählung nach, sei es der Geist einer Frau, die ihre ertrunkenen Kinder in dem Fluss sucht, und nicht finden kann.
(Aus Verzweiflung vor ihrem gewalttätigen Mann, flüchtete sie mit ihren Kindern in die Fluten). Ihr Erscheinen soll bevorstehende Tode ankünden.

Gruselgeschichte zu Ende.

Es fühlt sich komisch an, dass Du nicht mehr da bist. Als wären wir zusammen auf eine Reise gegangen und du hättest einfach auf halben Weg umgedreht, mir nichts dir nichts, von heute auf morgen. (So war es nicht). Ich und vielleicht andere deiner Freundinnen auch, wollten es nicht wahr haben. Ich erinnere mich, ich schrieb dir zwei Monate vor deinem Tod, bis zum letzten Atemzug habe ich Hoffnung. Hoffnung auf Heilung.

Was ist wenn es gar nicht um Heilung geht, sondern um Erfahrung. Um Teilen dieser Erfahrung, einander beistehen und begleiten. Na gut, das haben wir. Dafür danke ich Dir. Und jetzt?

Im Buchgeschäft kaufte ich einen Reiseführer über Hawaii. Haleakala!
Ich schlage die Seite mit dem Foto des Haleakala – Vulkans auf. Ich lese Mondlandschaft. Brodeln im Untergrund.

Panoramic view of colorful Haleakala volcano in Maui from summit (c) Adobe Stock pictures/ mdlart



Der Gott in uns und anders wo?

Nicht besonders groß, von Läusen befallen inmitten des Betons der Großstadt, bist du trotzdem etwas Besonderes. Mein Hingucker!

Wenn ich bemerke, fast wie nebenbei, in der Hektik des Alltags und Berufserfordernissen. ( Aus der Entfernung der innere Kritiker, der weggesperrt , zu mir haucht, was faselst du, du tust doch nichts. Wenn ich ihn wahrhaben würde. Bleibe wo du bist.) Wenn ich bemerke, dass der untere Rücken sich meldet, der Brustbereich sich eng und heiß anfühlt, die Schilddrüse feuert und der Kopf hinter Nebel verschwindet und mit ihm die Konzentration, die Klarheit, die Zielgerichtete Ausrichtung.

Ich nehme es wahr und halte inne, während ich über den Gang eile und öffne das Fenster und erblicke dich.

So einfach und so schön und so komplex! Drei in einem. Und für einen Moment gelingt es mir zu atmen. Tiefer als bis zum Zwerchfell.

Wenn jeder Mensch diesen Halt für sich erfahren dürfte. Ach, wäre unsere Welt anders? Erster Gedanke.

Und zweiter Gedanke. Oder braucht jeder Mensch ein gegenüber um sein Glück oder was er will, zu teilen ? Und hat er das nicht, hat er nur das schöne Schauen, bleibt er dann gluxjzlsigbind = glückselig, dreht sich um und ist einsam in der Welt?

Wenn du betest, weil du glaubst, an Gott, aber er bleibt für dich immer im Himmel und du bist unten, armer, schwacher Mensch. Der erlöst werden darf, mit Gottes Gnade, aber du dich nicht bereit, berechtigt dazu fühlst, weil irgendwie alle dir von kleinauf dich ihre Überlegenheit haben spüren lassen, und dir nie auf Augenhöhe begegnet sind und vielleicht in anderen oder gleichen? Momenten, warst du behütet, an der Hand, dein Kopf getätschelt, so dass du dich nie aufrichten konntest, aus eigenen, freien Stücken und Wille.

Dein Wille geschehe, weil mein Wille nicht zählt.

Seitdem ich dem lieben Gott, der mir als Kind beigebracht würde, erweitert habe um Ebenen, Charakterzüge, und nicht nur da oben weilt, sondern auch in der Natur spürbar ist, bin ich entspannter.

Und das ist doch schon viel.

Ich schreibe das für einen Menschen, der betet, betet, betet und trotzdem kreuzunglücklich ist, und dafür habe ich viel Mitgefühl. Für seine Einsamkeit.

Und gleichzeitig so geborgen von meiner Familie, in ihrem Kreis und auch, den Aktivitäten, die uns als Familiengruppe ausweiten lassen.

Während die alten Kreise schwimmen und sich auflösen oder drohen unterzugehen. Haltlos, rastlos, in einem Strudel von Nicht- geliebt fühlen und nicht gesehen werden in ihrem Schmerz. Beziehungsweise auch wir, die anderen, die noch nicht die Mittel gefunden haben, die Schmerzen unseres Gegenübers auszuhalten ohne nicht selbst verletzt zu werden.

Am Strand

da liegst du also

hab ich dich endlich gefunden

Jahrzehnte lang auf der Suche nach dir

Jahrzehnte lang in Erwartung deiner

Geh ich um die Ecke

Schlurfe über den Kies

Als es sich plötzlich vertraut anfühlt unter meinen Füßen

Da liegst du also

Dachte ich es mir doch !

Nichts das gefunden wird, ist achtlos weggeworfen seinem Schicksal überlassen geblieben

Hast dich kaum verändert, kaum

Natürlich. Der Zahn der Zeit, er nagt an uns allen.

Natürlich. Kann ich mich noch bücken , und wieder aufstehen, geht alles, braucht nur seine Zeit.

Du schimmerst noch immer.

Grün wie der See.

Der tiefe See.

Möchte man in der Erde oder im Nass begraben sein ? Was mögen die Knochen lieber ?

Stein, machst mein Herz warm, wirst Mal meinen Enkeln eine Freude sein, wenn wir hier nicht mehr weilen. Irgendwo im nirgendwo.

Das soll nicht traurig klingen, nur herausfordernd der Moment. und der Weg durch das Nadelöhr. Dahinter oder darin bahnt sich die Seele ihre Freiheit. springen, sich fallenlassen und gehen ins Licht. Nicht abweichen , nicht ausweichen, hängenbleiben an Schmerz und Enttäuschung.

Es ist eine Kunst zu sterben,

Wie es Mut braucht, um ganz zu leben. Alles von sich zu geben.

Spring! Sing! Das hilft.

18 Zeilen oder mehr und ein Baum

es ausgehalten

im Bus

nicht

auf mein Handy zu schauen.

mir verziehen,

dass ich keine Notiz gemacht habe

im Handy.

dem Kontrollfreak

entgegnet:

wie vieles, das du erledigen willst,

auf deine To Do Listen schreibst,

die unzähligen,

an unzähligen, nie mehr wieder

aufscheinenden

Orten.

wie vieles, das du erledigen willst,

ist wirklich wichtig? Ist es wert?

Bedanke dich bei mir!

sagt die Müßiggängerin.

***““

auf meinem Handy,

dem lieben ,

meinem Supercomputer,

meiner Schaltzentrale, noch nicht Hirn!

eine App installiert,

die die Zeit stoppt und während du nichts anderes am Handy machst, dir als Belohnung einen Baum, der dann so ausschaut : 🌲 , pflanzt.

Irgendwie, ich weiß noch nicht wie, wird dann daraus, muss ich dafür zahlen ? , echte Bäume . Irgendwo.

„Forest“.

so heißt sie unaufgeregt.

Und beruhigt meine Gedanken, die die Vorstellung mögen, dass ich Bäume pflanzen kann, wahrend ich Excel- Listen beacker.

***“““

Die letzten Wochen hatte ich eine Schreib und noch andere Blockaden.

Langsam wühle ich mich raus. Schreibe 10 Zeilen,

so mein neuer Task, an mich,

sie werden meistens mehr als 10

damit ich wenigstens weiß , erahne,

wie es mir geht, in echt, während ich lebe und arbeite und aufstehe,

meine Lieben umarme oder sanft die Wange, das Haar, die Ohren streichle, schließlich noch ein letzter Witz oder grummeln, ein verbindender Händedruck, anhaltend, schlafen gehe.

Gute Nacht!

Fast Monikas schönster Tag – Tag 34

Monika war auf allen Vieren, ihr schönes, hellgelbes seidenschimmerndes Kostüm, schien in einem schönen Kontrast zu den violetten Glyzinien, die das metallene Geländer des Balkon streiften und und das ganze Steinhaus in einem südlichen Flair tauchten, eine Leichtigkeit und Genuss am Leben, mit dem das Hotel am See geworben hatte.

Sie war nicht überrascht gewesen, dass er ihr diese Reise vorgeschlagen hatte, sie hätte nur gedacht, dass es weiter in den Süden gehen würde. Sie wusste, dass er wusste, dass sie beide ein Auszeit brauchten. Sich anschweigen und der graue Nebel der Stadt, das war keine gute Begleitung durch den Winter. Sie redeten nicht mehr als in ihrer Stadt, aber sie spürten doch die Aufregung die mit der Ortsveränderung einher ging, die leisen Seufzer der Bewunderung für den gelungenen touristische Moment und die damit einher gehende Entspannung, die sich in kleinen Wellen direkt auf das Gegenüber übertrug.

Eine weiße Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht, sie streifte sie hinters Ohr. Es war kein jugendliches Gesicht mehr, aber doch weniger von Falten durchzogen als eine Frau ihres Alters. Sie war vor kurzem sechzig geworden. Ihre groben Hände tasteten über die Holzplanken. „Bitte nicht in eine Ritze hinein, bitte nicht!“ dachte sie. Sie konnte nur hoffen, dass ihre schöne, weiße Strumpfhose nicht zerriss. Sie hatte sie extra für diese Reise besorgt. Wie sie überhaupt nur die schönen Stücke eingepackt hatte. Eine Frau von Welt auf Reisen, so wollte sie erscheinen, umgarnen. Und jetzt das, das wertvolle Stück! Sie wusste genau wo in Konstanz sie zu welchem Juwelier gehen konnte, um es prüfen zu lassen.
Sie war nicht darauf vorbereitet gewesen, dass er sich so schnell für sie entschließen würde. Und plötzlich war er so gut gelaunt, statt depressiv, und hatte ihr gleich am zweiten Tag einen Antrag gemacht. Der sehr schöne Ring mit dem Rubin und Diamanten, sie wusste, dass sie nicht die erste Frau war, der er am Finger gesteckt war, aber manchmal muss man nehmen, was man kriegen kann.

Ein bisschen viel Spiel war ihm auch aufgefallen, wo ihm sonst nicht so viel an ihr auffällt, außer es passt zu seinen Erzählungen. Ihre glatten, weißen Haare passten wunderbar zu dem schneebedeckten Gipfel des Fuji-san. Das freute sie sehr, wenn er ihr das sagte, und dabei ihr Haar andächtig streichelte. Japan war ein Ort, den Ulrich schätzte. Das hatte er mehrmals erwähnt, besonders die ästhetisch angelegten Parkanlagen und Nihonga Malerei, als auch das washi-Papier verehrte er. Auch wenn sie keine echte Japanerin war, hatte sie doch lange genug dort gelebt, um das zurückhaltende Wesen der über die Brücke eilenden Geishas zu studieren. Ihre Mutter hatte sie immer in den Arm gekniffen „Schau genau hin. Lerne! Aber werde nicht wie sie!“ Das Dienen als Überleben, ja, aber schließlich gab es noch ein anderes, ein eigenes Leben. Ihre Werkstätte zum Beispiel. Sie dachte daran, dass Zeng für nächste Woche einen Besuch angesagt hatte. Sie würde den Ring nie dort tragen, nicht vor ihren Kunden. Wenn sie ihn fand. Ihr blieben noch fünf Tage Zeit.

Foto von JJ Ying auf Unsplash

Writing prompts – Schreibanregungen

Für alle, die gerne Schreibanregungen haben, die Schriftstellerin und Creative Writing -Trainerin Julie Duffy https://storyaday.org/julie-duffy/ bietet im aktuellen Monat Mai den ganzen Monat tägliche, kostenlose Tipps fürs eigene Schreiben aus ihrer Schreib-Praxis und der von anderen AutorInnen. Die e-mails sind kurz und auf englisch. Ich finde es ganz witzig, und mir persönlich hilft es, Geschichten zu starten, die aus einer anderen Perspektive geschrieben werden oder Ansätze verwenden, die man intuitiv für sein Schreiben nicht wählen würde.
Hier der link – wer will, wer mag, wer hat noch nicht.

Wer Schreibanregungen aus dem deutschen Sprachraum hat, gerne unten im Kommentar posten! Ich freue mich!

Schreiben und sich Zeigen und Suchen – Tag 33

Wie alt muss man werden, bis man aufhört Anerkennung zu suchen? Durch interessante Betätigungsfelder, originelle Berufe oder witzige Texte?
Wobei wäre jede Form der Einordnung eine Interpretation von außen. Und hier stellt sich die Frage, wie sehr orientiere ich mich an dem, was mein Umfeld von mir erwartet?

Wahrscheinlich ist alles, was man im Außen sucht, eine Suche nach etwas, das dieses emotionale Loch stopft, das Verdurste! Langeweile! Lieb mich doch und Sieh mich an! schreit. Ein passender Kork oder Deckel, damit wir uns halten können.

Es ist doch gut, nach etwas zu streben, wir können ja nicht alle in Seelenruhe in Höhlen oder heute Häusern sitzen, ohne Anstrengung, ohne aufeinander zu treffen, ohne Auseinandersetzung und Miteinander schaffen und erleben. Das Streben, das Suchen, vielleicht auch das Lernen und Verstehen wollen, es ist doch gut, dass es uns voran treibt, Neues entdecken lässt, aber es sollte nicht aus einem Mangel heraus erfolgen, sonst wird jede Lösung nur von kurzer Dauer sein. [Willkommen zur Küchenpsychologie-Stunde mit ihrem Host Sophie. Sophie, sagen Sie unseren Lesern und LeserInnen, wie der Hase läuft! Warum sind wir denn wirklich alle so unglücklich? „Ja, wussten Sie das nicht? Es ist der Mangel!“] Weil der Mangel, das Loch im Bauch [bemerken Sie dieses Ziehen, wenn Sie etwas ganz stark wollen, liebe Leser?], das doch immer nach „mehr, mehr“ schreit.

Wie wäre es mit einfach im Moment sein, so eine große Phrase und so schwierig, diese Momente zu Zeiträumen in meinem Leben zu machen! Wann gelingt mir das? Beim Yoga, während dem Schreiben, im Betrachten oder Spielen mit meinem Sohn, im Buddeln in der Erde, in der Fotojagd am Boden kriechend beim Insekten beobachten. Aber kann man mit all diesen Momenten Geld verdienen? Es gibt Leute, die werden bezahlt, für was sie lieben. Ich hatte auch eine Reihe interessanter bezahlter Arbeiten, und bin meistens über die Umstände und Bedingungen der Arbeiten gestolpert. Was, sie will nicht die drei Birken fällen für den Blockbuster Science Fiction Film? – aber wir zeigen die verödete Erde im Jahr 2100! Der Regisseur dachte sich vielleicht, ich sei mir zu gut dafür, aber ich teilte einfach seinen „Für meinen Film muss alles erlaubt sein“- sehr selbstbewussten Ansatz nicht. Für sein Selbstbewusstsein habe ich ihn bewundert, aber wenn ich mich entscheiden müsste, zwischen Natur oder Kunst, würde ich Natur wählen.

Nach Beendigung meiner (nie durchgestarteten) Karriere beim Film, meinen Hungerjobs in der Kulturbranche, die aber so spannend waren, mich bewegten, ich will es gar nicht leugnen, tarne ich mich mit einem grünen Netz in der Wissenschaft, gaukle vor, ich arbeite etwas Sinnvolles, die Welt bereicherndes und begnüge, vergnüge mich mit zehn Minuten schreiben täglich auf dem Blog und höre mir an was da so kommt. Obwohl ich seit wahrscheinlich 39 Jahren Geschichten schreibe, die meisten ohne Ende, kann ich mich nicht auf ein Thema – DAS Thema festlegen oder konnte es nicht. Etwas, was so viel Material erfordert, dass man länger darüber schreiben könnte. (Anthropozän verzeih!) Ich habe mehrere Theorien dazu, warum das so ist.

  • vielleicht ist das Schreiben für mich weniger eine Form des Erzählens und Mitteilens, sondern meine Art, meine Gedanken zu ordnen, Stück für Stück wie Fritatten aus der Suppe auf den Löffel geschaufelt werden, von dem sie wieder runterrutschen und ich beobachte das ganze Spiel.
  • vielleicht bin ich eine Kurz-Schreiberin! Kurze Texte und Formate.
  • oder – hier kommt wieder die Anfangs-Vermutung, der Schmerz der mit Anerkennung verbunden ist, weil sie ausbleiben könnte oder uns das Urteil nicht gefallen könnte, vielleicht habe ich mich bislang noch nicht auf ein Thema eingelassen, weil es etwas sein könnte, das mir wichtig ist und nahe am Herzen liegt. Das hat zu tun mit Persönliches teilen und Sichtbar sein, verletzlich dann eben auch.
  • Wobei halt! Es gibt da doch den so wichtigen Arbeitsschritt eines jeden Autors, der sich „überarbeiten“ nennt, und dabei könnte man noch entscheiden, was drinnen bleiben darf und was aus dem Text raus muss. Fair enough…
  • Und schließlich ist das, wovor wir uns fürchten, oft nicht das, wie Leser und Leserinnen unsere Texte wahrnehmen werden. Wir sind zum Glück alle verschieden. Während ich mir also gerade Mut zuschreibe, dass selbst wenn, ich in die Tiefe und Länge gehen würde, es vielleicht spannend und anregend und aufregend zu entdecken wäre, denke ich mir, habe ja noch ein Jahr. Alles easy cheesey. [Geht es hier um geschmolzenen Käse oder Mascarpone?]
Abschlussbild statt Abschlusswort. Nicht grad ein Insekt, aber auch heiß verehrt.







Lotto Jackpot – Vorbereitungen – Tag 32

Wer gewinnt? Wer hat gewonnen? Im Lotto.
Kommt der große Gewinn zu denen, die es bitter nötig haben, oder zu denen, die so gelassen sind, dass sie auch solch ein Schicksalsschlag nicht umwerfen kann?
Bevor man gewinnt, könnte man die Zeit dafür nützen, sich folgende Fragen zu beantworten, die die meisten Menschen für sich nicht beantwortet haben ( dreiste Vermutung).

  • Wie würde mein Leben aussehen, wenn Geld keine Rolle spielen würde? Wenn ich tatsächlich wüsste, es ist jederzeit im Überfluss vorhanden?
  • Wie würde mein Leben also aussehen, wenn ich mich total reich fühlen würde?
  • Wie würde mein Leben als zutiefst freier, gestalterischer, satter, glücklicher Mensch aussehen? Wenn ich mich innerlich reich und völlig frei fühlen würde?

Die Klärung dieser Fragen, wie sich mein Leben als reicher Mensch anfühlen würde, ist die Basis. Das Gefühlsfutter. Denn angeblich geben Leute, die nicht an viel Geld gewohnt sind, Geld schnell wieder aus. Jetzt konkret die Fragen, wozu brauche ich soviel Geld?

  • Was würde ich mit dem vielen Geld machen?
  • Welchen Traum würde ich mir erfüllen?
  • Was sind überhaupt meine Träume im Leben?
  • Wenn alles für mich möglich wäre, ich jedes Leben führen könnte, welches wäre das? Was wäre anders als heute?
  • Wie würde ich leben, wenn ich großzügig und unbescheiden lebe? Was würde ich mir gerne öfter gönnen?
  • Was von alle dem, während das große Geld noch nicht da ist, wenn ich es wirklich brauche, was davon ist heute schon machbar?
    • Ich wollte eigentlich immer in einer Band spielen.

Zähne, Postkarten und Kalender – Tag 31

Es gibt Menschen, die sind sentimental. Nennen wir mich Emilie. Wenn ich dereinst tot bin, und aus der Wohnung getragen werde, werden nach ein paar Wochen, die Verwandten und Freunde von Emilie durch die Wohnung gehen und wer mich überlebt und mit mir zusammengewohnt hat, wird auf die verschiedenen Haufen zeigen. Die Papiermassen. Ich stelle mir meine Mutter vor, auch wenn ich erwarte, aber erwarten kann man viel, dass ich sie überlebe, was sie empfindet, wenn sie meine Zähne findet. Wird sie lachen, wird sie geschockt sein? Ich habe eine Hassliebe zu meinen Zähnen. Vielleicht auch ein Fetischismus, der sich daraus entwickelt hat. Es begann alles mit dem 1er. Von ihm gibt es ungefähr 3 Exemplare. Vielleicht werde ich die Geschichte seines Verlusts mal in einer Geschichte erzählen. Für mich sind Zähne wie gute Freunde, und ihr Zustand erzählt viel über uns, aber auch über den Umgang mit Schmerz und Krankheit und Scham. Zähne berühren uns und seine Zähne kann man nicht verstecken.

Zurück zu den Papiermassen. Projekte, Gedanken, Reiserouten. Alte Zeitungen, Briefe, alte Fotografien von unbekannten Menschen. Eigene Fotografien, in Kisten. Weihnachtskarten von Freunden, ich werde sie demnächst reduzieren. Die armen-aber-süßen abgebildeten Kinder sind schon groß und studieren bereits.
Bücher. Viele Bücher. Büchern haftet was an. Ich liebe sie, wegen ihrem Versprechen, das man aus ihnen klug wird, dass es nichts gibt, über das nicht geschrieben wurde, dass ich aus ihnen Unbekanntes entdecken kann, manche behalte ich zum durchblättern aus Achtung für den oder die Autorin, dicke Bücher oder Geniales geschaffen zu haben. Das Lexikon der orientalischen Teppiche zum Beispiel. Ich liebe ihre Haptik und ihren Geruch. Ich lese sie selten als Unterhaltung, denn als Flucht vor meinem Nicht-Können und Nicht-wissen, oder als Flucht vor meinem Hiersein, meiner Existenz. Ich lese sie eher als Anregung, selten ganz zu Ende und noch seltener mehrmals. Alle paar Monate staple ich meine Bücher neu und finde zusammenhängende Kategorien. Im Moment sind die Kategorien „Anregendes und Inspiration, Belletristik“, „Weiterbildung und Fachliches“, „Umsetzen, Investments, Kreatives“, „Gesundheitsbücher“ „Frauenthemen“, „Erziehungsratgeber und Spiele“, „Reisen“, „Geborgtes“, „Rezepte“.

Papier. Ich besuche Papiergeschäfte, um mich gut zu fühlen und aufzuladen, wie andere Menschen meditieren oder in eine Kirche gehen. In fremden Städten kaufe ich Papier und Notizbücher und Postkarten, die nicht unbedingt die Landschaft, aber die Stimmung wiedergeben. Meine Großmutter sammelte auch Postkarten. Sie war meine Ikone. Ich dachte sehr lange, dass sie eine Weise Frau sei und noch als Jugendliche dachte ich, wie kann es sein, dass meine Großmutter alles versteht und von Geschichte und Kulturen an jedem Ort der Welt erzählt, als wäre sie dabei gewesen. Aber sie war einfach eine kluge, bescheidene Frau, die sich bis ins hohe Alter weiterbildete ( ihr letztes Hobby war chinesisch) sich Inhalte aus Büchern gut merkte und für die Bildung echte Unterhaltung war.

Kalender. Ich entdecke 18 Jahre alte Kalender und Notizblöcke mit Reiserouten in Südamerika. Adressen von Lokalen und Mitreisenden. Ich entdecke Themen, die mich heute noch beschäftigen und frage mich, können Menschen gleich bleiben, auch wenn sich äußerlich ihr ganzes Leben verändert hat? Die Sehnsucht, die Unsicherheit innen drin, die gefühlte Distanz zu meinen Mitmenschen. Ich gehe auf den Balkon und betrachte den Baum, den ich vor drei Jahren als kleinen Ableger aus der Lobau mitgenommen habe „Traubenkirsche!“ sage ich ihm. Dieses Jahr hatte er erstmals duftende Blüten und hat sich verraten. Ich verweile lange bei ihm. Manchmal brauchen Dinge lange Zeit, bis man sie versteht. „Ich mag Pflanzen lieber als Menschen.“ ist ein Gedanke am Balkon. Ich weiß, dass ich früher sehr einsame Momente hatte. In der Nacht draußen im Wald vor dem Haus stehen, wo eine Gruppe Gleichaltriger trinkt und feiert und das jung sein genießt und ich stehe und wünsche mich weg zu den Sternen. Ich schließe den Balkon ab und gehe zu meinem Sohn ins Zimmer und betrachte ihn in seinem Schlaf. Sein Anblick rührt mich. Jedes Mal. Schlafend und wach. Ich fühle, es ist gar nicht wahr. Ein Gefühl der Zuneigung und Liebe und so vieles, das tief in mir verwurzelt ist. Etwas das bleibt. über Leben hinaus. Seines, meines.
Also Stapel um mich herum, Zähne und Papier. Was für eine Bedeutung nochmal genau habt ihr in meinem Leben? Vergangenes. vergeht.


Oma Ernis Gesang – Tag 26+4

Oma Erni war meine Ikone. Sie machte als hundertjährige noch Gymnastik und flirtete mit den Menschen um sie herum. Sie liebte die Körper, aber vor allem die Blumen. Oma Erni, eigentlich Ernestine Kovacek’s Tür stand für die Nachbarschaft immer offen und manchmal musste man warten bis man sich mit ihr unterhalten konnte. Wenn aus ihrem Schlafzimmer, das auch Empfangszimmer war, leises Schluchzen kam, weil sich gerade mal wieder jemand bei ihr ausweinte. Oma Erni hatte ein großes Herz und große Ohren. Sie kannte jeden in unserem Haus und sie war allgegenwärtig.

Oft hörte man ihren Gesang durch das Haus hallen. Manchmal war es eine fröhliche Melodie, oder ein Pfeifen, das abwechselnd mit dem Zwitschern der Vögel erklang. Manchmal waren es aneinander hängende Töne, die schauerlich klangen.

Einmal, ich half gerade die Frühlingsblumen einzusetzen im Hof (Oma Erni betreute auch alle Blumen im Haus und veranstaltete Gartenpartys), dafür durfte ich Radieschen und Erdbeeren in ein eigenes kleinen Blumenkistel setzen, fragte ich sie schüchtern, aber meine Neugierde bewegte mich in diesem Moment zu sehr, warum sie manchmal so schöne und manchmal so unheimliche Musik machte.

Sie hörte auf mit umgraben und schaute mich lächelnd an.“ Findest du also? Du findest, ich singe nicht schön?“ Es war wahnsinnig peinlich. Ich wurde rot, so erdbeerig, wie meine zukünftigen Früchte, liefen meine Wangen an. „Nein, das wollte ich nicht. Entschuldigung.“

Sie lachte. “ Wenn ich dir jetzt sage, es ist gar keine Musik!“ Ich stutzte. Machte sie sich über mich lustig ? „Es ist Sprache. Bloß der Ausdruck von Stimme.“ Ich war perplex. Was wollte sie mir damit sagen. “ Nicht meine Stimme, sondern ihre!“ erklärte sie mir feierlich an diesem Nachmittag im April.

“ Hör mal zu. Es gibt so vieles um uns herum. Gegenstände, Menschen, Tiere, dazwischen wir mit unseren Körpern. Wenn es dir also unheimlich vorkommt, was du an Tönen erlauschst, dann muss ich dir sagen: im Gegenteil. Es sind die offenbarten Töne dessen, was uns umgibt. Und diese zu hören, ist ein Geschenk.. vielleicht unüblich sie zu hören, aber es sollte dir nicht unheimlich vorkommen. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, ihnen meine Stimme zu leihen und dann ihrem Ausdruck zu lauschen. Mit der Zeit bin ich mit ihnen so vertraut geworden im Hören, wie das Geräusch der Regentropfen, die auf die Fensterbänke klatschen.“

Sie klopfte mir freundschaftlich auf meine Schulter und fing wieder an zu graben. “ „Und kannst du das mit allem?“ Ein Marienkäfer lief neugierig an unserem Beet vorbei. Oma Erni machte ein hohes „Hiiiiii“ und fing dann laut zu lachen an. “ Frag mich nochmal, wenn du deinen nächsten Wackelzahn hast, dann probieren wir was aus!“ Der Marienkäfer flog weg. Waren wir ihm auch ein Rätsel?